Geschäftsbericht 2021

Im Dialog

Im Spannungsfeld zwischen klimaneutraler Energie, kantonaler Richtplanung, unterschiedlichen Ansichten und gemeinsamen Perspektiven

Markus Bircher (Leiter Strategieprojekte) und Patrik Feusi (Geschäftsführer) im Dialog

Markus Bircher (Leiter Strategieprojekte) und Patrik Feusi (Geschäftsführer) im Dialog

Ein wegweisendes Jahr für die Zukunft von Limeco ist vorbei, das Weissbuch 1 Limeco 2050 zieht Bilanz: 50-jährige Kehrichtverwertungsanlage, 60-jährige Abwasserreinigungsanlage, beide stets saniert, aber mit Ablaufdatum, Kauf des benachbarten Areals von Coop, Vision für eine klimaneutrale Energieversorgung des Limmattals dank Neu- und Umbau. Ein Generationenprojekt, das mit Trägergemeinden und Anspruchsgruppen abgestimmt werden will, denn unterschiedliche Bedürfnisse und teils diametral entgegengesetzte Ansichten treffen aufeinander. Reflexionen über ein Jahr im Zeichen des Dialogs mit Patrik Feusi, Geschäftsführer Limeco, und Markus Bircher, Leiter Strategieprojekte Limeco.

Fussabdruck der Gesellschaft

Patrik Feusi: Alle reden über die Erderwärmung. Alle wollen saubere Energie, aber niemand will auf den Strom fürs Handy und aufs Warmwasser beim Duschen verzichten. Fakt ist: Die Probleme des Klimawandels und die Gefahr eines Strom-Blackouts erledigen sich nicht von selbst.

Markus Bircher: Fakt ist aber auch, dass viele Leute Angst haben, in die Zukunft zu planen – und ich verstehe das. Als die Abwasserreinigungsanlage vor 60 Jahren gebaut werden sollte, wehrten sich die Gemeinden, obwohl die Gewässer sichtlich verunreinigt waren. Die Menschen hatten Bedenken wegen dieser neuen Technologien und konnten die Vorteile nicht in die Zukunft projizieren.

Patrik Feusi: Und heute ist es unvorstellbar, wenn wir solche Anlagen nicht hätten! Warum ziehen wir also nicht die richtigen Lehren daraus? Wir dürfen nicht erst handeln, wenn die Gewässer – wie im Fall der ARA – schon stinken. Deshalb müssen wir jetzt anfangen zu planen. Nur so kann Limeco einen zunehmenden Anteil an klimafreundlicher Energie zur Wärme-, Gas- und Stromversorgung im Limmattal beisteuern.

Markus Bircher: Das ist genau der Punkt. Und ich bin sogar überzeugt, dass es in naher Zukunft undenkbar ist, zum Beispiel Strom nicht zu 100% aus klimaneutralen, also erneuerbaren Rohstoffen aus der Schweiz zu gewinnen. Abfall und Abwasser gehören dazu. Es sind zwei wertvolle, CO2-neutrale und erneuerbare Ressourcen, die wir nutzen sollten.

Patrik Feusi, Geschäftsführer

Vision Limeco 2050 in Limmattaler Energiezentrum konkretisiert

Patrik Feusi: Wir haben eine Vision für eine nachhaltige Zukunft von Limeco entwickelt: Das ganze Limmattal soll bis 2050 mit CO2-neutraler Energie versorgt werden.

Markus Bircher: Konkret heisst das, wir verwenden möglichst keine fossilen Brennstoffe mehr, sondern nur noch klimaneutrale Energiequellen. Dieses Ziel sieht auch die nationale Energiestrategie 2050 und das Nachhaltigkeitsprinzip in der kantonalen Verfassung vor, abgesegnet vom Schweizer und vom Zürcher Stimmvolk.

Patrik Feusi: Ja, so weit sind wir uns wohl alle einig. Allerdings hat die Verbildlichung unserer Vision – nämlich die Weiterentwicklung von Limeco zum Limmattaler Energiezentrum LEZ – bei unseren Interessengruppen kontroverse Reaktionen ausgelöst.

Markus Bircher: Wenn man verschiedene Parteien um ihre Meinung bittet, wird es immer unterschiedliche Standpunkte geben. Uns ist es dennoch ein zentrales Anliegen, unsere Trägergemeinden und Anspruchsgruppen von Anfang an mit an Bord zu haben. Nur auf diesem Weg kommen wir zu einem konsensorientierten Ziel. Wir sind sehr froh, dass sich alle am offenen Dialogprozess beteiligt haben.

Patrik Feusi: Diskussionen rund um die Zukunftspläne sind willkommen und gewünscht, allerdings dürfen wir einen entscheidenden Aspekt nicht ausblenden: Wir sind heute schon ein kleines Energiezentrum. Wir versorgen bereits viele Liegenschaften mit Regiowärme und können bald – dank der ersten industriellen Power-to-Gas-Anlage – überschüssigen Sommerstrom in Gas umwandeln und für den Winter speichern. Warum wollen wir diese wegweisenden Errungenschaften in Zukunft nicht einfach weiter ausbauen? Zumal Strom und Gas aus regionalen Ressourcen ganz klar an Bedeutung gewinnen werden.

Markus Bircher: Das ist eine berechtigte und sehr entscheidende Frage. Wir rechneten mit Bedenken, die unsere Dialogpartner zu unserer Vision haben könnten, und nehmen diese sehr ernst. Gleichzeitig sollen und müssen wir deiner Frage weiter nachgehen.

Markus Bircher, Leiter Strategieprojekte

Glückbringendes vierblättriges Kleeblatt

Markus Bircher: Als wir zu Beginn des Dialogprozesses unsere Vision und die Konkretisierung im Limmattaler Energiezentrum den Interessengruppen vorgestellt haben, war ich gespannt auf die Reaktionen. Die grosse Frage für mich war: Werden wir gemeinsame Perspektiven und Themen ableiten können?

Patrik Feusi: Dafür braucht es zuerst eine gemeinsame Basis, ein gemeinsames Verständnis, welchen Beitrag wir für die Klima- und Energiewende leisten können oder bereit sind zu leisten. Leider rückten im Dialog unter anderem immer wieder die Risiken in den Vordergrund und drängten das Potenzial vielversprechender Chancen für eine klimaneutrale Energieversorgung zurück. Chancen, die wir zum Teil heute schon kennen und nutzen und die wir gemeinsam weiterentwickeln können.

Markus Bircher: Da stimme ich dir voll und ganz zu. Diese Chancen müssen wir unbedingt weiterverfolgen. Obwohl sich viele Gespräche um die Risiken drehten, konnte ich meine Frage doch mit ja beantworten – und das freut mich sehr. Vier gemeinsame Perspektiven haben sich im Dialog herauskristallisiert: Wasser, Energie, Natur und Zusammenleben. Im vierblättrigen Kleeblatt haben wir ein starkes Symbol gefunden, das diese Themenfelder gleichermassen darstellt.

Patrik Feusi: Das vierblättrige Kleeblatt finde ich auch sehr passend. Ich hoffe, dass wir den weiteren Prozess gradliniger angehen können. Zurzeit sehe ich ein anspruchsvolles Stück Weg vor uns, gepflastert mit teils gegensätzlichen Interessen.

Markus Bircher: Ja, das ist in der Tat so. Trotzdem ist es mir wichtig, die Bedenken unserer Trägergemeinden und Interessengruppen einzubeziehen. Wir haben die unterschiedlichen Anliegen, die im Lauf der Gespräche diskutiert wurden, aufgenommen, zum Beispiel den Umgang mit Risiken und die Mitbestimmung.

Patrik Feusi: Punkto Mitbestimmung: Die Kapazität der KVA können wir nicht beliebig planen. Wir sind an die Kapazitäts- und Standortplanung des Kantons gebunden. Diese sieht eine gewisse Grösse vor, damit die Anlage in Zukunft wirtschaftlich betrieben werden kann. Viele klimaneutrale Energiepotenziale liegen quasi vor unserer Haustür, wir brauchen sie «nur» zu erschliessen und zu verwerten.

Markus Bircher, Leiter Strategieprojekte

Richtung Mitte 2023 sichtbar

Markus Bircher: Wir sind im vergangenen Jahr einen neuen, aber den einzig richtigen Weg gegangen. Ich bin stolz, dass das Weissbuch 1 Limeco 2050 jetzt da ist. Es bildet das Fundament für ein solides und nachhaltiges Fortbestehen von Limeco angesichts grosser Klimaherausforderungen.

Patrik Feusi: Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, kommen wir nicht darum herum, sämtliche erneuerbaren und CO2-neutralen Rohstoffe zu nutzen, also auch Abfall und Abwasser. Die klimafreundliche Energieversorgung planen wir für jeden einzelnen Bewohner hier im Limmattal – und nicht aus Eigeninteressen.

Markus Bircher: Die Limmattaler Bevölkerung hat uns mit dem Ja von über 82% zum Kauf des benachbarten Coop-Areals indirekt die Unterstützung für die Planung des KVA-Neubaus und des ARA-Ausbaus zugesagt. Eine ideale Ausgangslage. Auf das Weissbuch 1 folgt nun ein Studienauftrag, der für die zukünftige Nutzung der Grundstücke mögliche Lösungen auslotet. Die Erkenntnisse spiegeln wir wiederum mit Gemeinden, Gewerbe und Naturschutz. Auf das Ergebnis aus diesem zweiten Dialogprozess bin ich sehr gespannt.

Patrik Feusi: Ich auch. Und ich wünsche mir für diesen weiteren Dialog vor allem eines: dass die Gesprächspartner die Chancen einer Weiterentwicklung von Limeco zum Wohle aller ins Zentrum rücken und nicht nur ihre Einzelinteressen. Mit dem Limmattaler Energiezentrum LEZ können wir eine fortschrittliche Pionierrolle einnehmen – und das an der Schnittstelle zum Naturschutzgebiet, zwischen einer klimabewussten Gesellschaft und den berechtigen Anliegen von Gemeinden und Wirtschaft.

Markus Bircher: Das ist ein sehr treffendes Schlusswort! 2023 soll das Weissbuch 2 vorliegen, darin abgebildet der weitere Dialog zwischen Trägergemeinden, Interessengruppen aus Gewerbe sowie Natur und Limeco. Dann sehen wir, wohin die Reise geht. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass Limeco einen substanziellen Beitrag leisten kann, um zusammen mit anderen Akteuren das ganze Limmattal bis spätestens 2050 mit CO2-neutraler Energie aus der Region zu versorgen.